Fast so, wie damals der Einstieg in verlassene Gebäude als Jugendliche*r, nur in legal und mit Kunst: Diether und John waren bei Till Lukat im Atelier zu Besuch. Am 05. September wird der Comiczeichner für Konzept*Feuerpudel in der Lettrétage Texte illustrieren. Ein kleiner Bericht aus Lichtenberg.
Raum 204. »Das ist wichtig, hier gibt es viele Räume.« schreibt Till Lukat noch in der Mail. Diether läuft trotzdem am Gebäude vorbei, John steht orientierungslos im Eingangsbereich. Ein paar Anrufe später sitzen beide dann doch in Tills Studio.
Das hat die Größe eines geräumigen WG-Zimmers und sieht mit der Couch, der Kaffeeküche und dem Gitarrenverstärker neben der Heizung auch beinahe so aus. Das Studio teilen sich drei Künstler*innen: Till Lukat, Ellice Weaver und Kirsten Schröder.
Geht man vom Äußeren aus, überrascht die Gemütlichkeit des Ateliers. Besonders der Blick aus dem Fenster erinnert an düstere Zeiten: Gegenüber steht die Gedenkstätte Hohenschönhausen. Hier wurde aus einem ehemals sowjetischen Gefängnis die Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit der DDR, wurde einst gefoltert und verhört. Umso größer die Freude, den Ort mit
etwas Positivem zu verbinden. Nämlich der Illustration und dem Kaffee, den Ellice gleich zu Beginn anbietet.
Till erzählt von seinen aktuellen Arbeiten und dem Gebäude, in dem wir uns befinden. Hier arbeiten viele verschiedene Künstler*innen, das Haus wird wie ein klassisches Bürogebäude Raum für Raum vermietet – nur statt Büroräumen finden sich hier Ateliers. Mit einigen Kolleg*innen steht Till im Austausch, die Tassen aus denen wir unseren Kaffee trinken hat der Türnachbar letzten Sommer selbst gemacht. Die drei Künstler*innen finanzieren das Atelier, indem sie es sich teilen – und durch den Wohnwagen im Hinterhof, in dem Till und Ellice wohnen, fallen für beide Faktoren wie Wohnungsmiete oder Fahrtweg zur Arbeitsstelle ebenfalls weg. Dass das funktioniert verdanken sie dem netten Verantwortlichen für den Gebäudekomplex.
Auf dem Monitor zeigt Till, wie sein aktueller Webcomic »Something in the Water« durch kleine Animationen eine besondere Wirkkraft entfaltet. Herzstück des Ateliers ist jedoch der Risographie-Drucker. Zwei Farbtrommeln im Innern des riesigen Geräts, orange und schwarz, erzeugen hier in kürzester Zeit einzigartige siebdruckartige Kunstdrucke.
An der Seite klebt eine Spendenbox: Die Kosten für die kostenintensiven Farbtrommeln teilen sich die Atelierkolleg*innen ebenfalls. Till arbeitet nicht nur digital, sondern am liebsten analog – das bezeugt auch der mit Tintenflecken übersäte schräge Zeichentisch neben dem Schreibtisch.
Als die Kaffeebecher leer sind, Till uns all seine Bücher gezeigt und John jeden Winkel des Ateliers fotografiert hat, bringt uns der Comiczeichner noch zu seinem Wohnwagen. Der Weg zu seinem Zuhause ist abenteuerlich, Till füh
rt uns zu Fluren mit dicken Glaswänden, in denen der Efeu durch die Decke wächst und durch dunkle hohe Hallen die an das Innere einer Stahlfabrik erinnern. Fernab der polierten Kreativszene Kreuzbergs eröffnet sich hier in Lichtenberg eine Welt des Künstlerdaseins, die von Kompromissen lebt – weil es wegen der hohen Ateliermieten anders in Berlin nicht möglich ist.
Hier könnt ihr noch unser Interview mit Till nachlesen. Folgt Till auf Instagram und schaut euch seinen Webcomic an!
Till Lukat ist gebürtiger Berliner. Seit Anfang diesen Jahres arbeitet er in seinem Atelier. Er ist Autor zweier Bücher und einer Reihe von Kurzgeschichten die in unterschiedlichen Magazinen und Anthologien erschienen sind. Seine Arbeiten sind bislang hauptsächlich in anderen Sprachen erschienen und erhältlich zum Beispiel direkt bei centrala hier oder bei Cambourakis.