Das Buch unter dem wackelnden Tisch, das Gaffatape am Zeltboden – spontane Einfälle bleiben oft länger bestehen als geplant. Für Kirsten Schröder war es der Umzug nach Deutschland. Die Illustratorin hat letztes Jahr im November für Konzept*Feuerpudel in der Brotfabrik live gezeichnet. John hat sie im Oktober zuhause besucht.
„Nur eine Pause zwischen Austin und New York“ ist Berlin. Zumindest für Kirsten. Sieht man sich in ihre Wohnung um, ist das ein eher überraschender Gedanke. Wenn überhaupt, ist es der gemütlichste Zwischenstopp ganz Prenzlauer Bergs. Es wimmelt nur so von Katzen(zeichnungen), Alltagsgegenständen im Miniaturformat, Malwerkzeugen, bemalten Stühlen, Spiegeln, Tassen und Glitzer. Eine echte Feuerpudel-Wohnung.
Dass hier nichts auf einen baldigen Aufbruch hindeutet, liegt auch daran, dass Kirsten mittlerweile über zwei Jahre in Berlin lebt. Eine feste Entscheidung war das nie, erzählt Kirsten. Mitte zwanzig wollte die gebürtige Texanerin eigentlich nur eins: Nochmal etwas von der Welt außerhalb der Vereinigten Staaten sehen, bevor sie in New York ihr Masterstudium beginnt und sich ins routinierte Berufsleben stürzt. „Wann, wenn nicht jetzt?“ dachte sich die Illustratorin, die zu dieser Zeit nach ihrem Bachelor in Design bei einer kleinen Firma in Austin Schmuck herstellt und Graphic Design macht. Als dann die Absage der Universität in New York kommt, ist es beschlossene Sache: “Egal wo, Hauptsache irgendwo.” sagt Kirsten, und ein bisschen klingt es wie: Irgendwo anders.
Das alles erzählt Kirsten auf Deutsch, überall an den Wänden die klassischen Notizen und Tabellen, die sich fast in jeder Wohnung von Expats finden lassen: Deklinationstabellen, Grammatikregeln, Vokabeln. Die deutschen Artikel, der Nemesis aller Deutschlernenden. Für Kirsten ist die deutsche Sprache Familiensache, ihr Vater beschrieb als junger Matrose auf dieselbe Art den umgekehrtem Weg: Nach Amerika, aus Deutschland, nicht mit der Absicht, lang zu bleiben. „Ich bin dort hängengeblieben, habe eine Frau kennengelernt, geheiratet.“ erklärt ihr Vater dann immer auf Deutsch mit nordischem Dialekt, wenn Amerikaner ihn auf den Nachnamen mit Umlaut ansprechen.
Freunde ihres Vaters sind es auch, bei denen Kirsten in Deutschland zunächst nahe Hamburg unterkommt. Mietfrei auf einem anderen Kontinent zu leben und die Muttersprache des Vaters zu lernen klang verlockend und verschaffte Kirsten gleichzeitig die Möglichkeit, ein Sprachlern-Visum zu erhalten. Später zieht es Kirsten dann nach Berlin – mit einem zweiten Visum für die Schule, an der Kirsten Illustrationsdesign studiert. Aus dem Zwischenstop wird ein Aufenthalt.
Kaum ist das Studium abgeschlossen, meldet sich die Ausländerbehörde: Weiter geht es erstmal nur mit einem knapp bemessenem Arbeitssuchvisum. Wie viele zugezogene Selbstständige muss Kirsten deutsche Auftraggeber*innen nachweisen, um einen aus Sicht der Behörde triftigen Grund zu haben, in Deutschland bleiben zu dürfen. Dass auch gebürtig deutsche Freelancer zumeist internationale Kundschaft haben, interessiert da wenig. Für Kirsten beginnt eine stressige Zeit, anders als ihre deutschen Kommiliton*innen kann sie nicht nur als Barista arbeiten und nebenbei langfristige Kontakte aufbauen, sondern muss direkt und ausschließlich nach den engstirnigen Vorstellungen der Ausländerbehörde liefern. Welche es unnötig erschweren, sich überhaupt aufs Arbeiten konzentrieren zu können. Kirsten fasst zusammen: „Es ist so stupid, dass es so schwierig ist, irgendwo einfach mal arbeiten und leben zu können.“
Wie als Ausländer*in deutsche Kunden akquirieren? „Du kannst nicht einfach sagen: Hello, any germans to be friends with?“ lacht Kirsten. Der Teufelskreis: Wie Kirsten kommen Viele nach Berlin, arbeiten in Start-Ups, in denen nur englisch gesprochen wird und gehen hochmotiviert zu Meet-Ups, mit dem Ziel, Deutsche kennenzulernen. Am Ende sitzen dort dann wieder nur andere Expats auf der Suche nach Deutschen und zucken mit den Schultern.
Mit ihrer Atelierkollegin Ellice Weaver redet sie oft darüber, dass auch der Austausch von Kontakten nicht sonderlich beliebt ist. Schade, finden beide: „Es ist mir scheißegal, ob ich dir die Email meines Art Directors gebe, wir sollten das eigentlich alle zusammen machen, dann finden wir mehr Arbeit zusammen. Es geht nicht um „Das ist meins, das ist deins“. Wenn der Stil passt, dann passt er. Warum ist das so?“ In den USA sei das teilweise anders, erzählt Kirsten. Aber auch dort kommt es stark auf die Stadt an. Austin, Texas, sei ein Positivbeispiel und auch in New York kann man gut von Illustration leben, wenn man eine bestimmte Ästhetik bedient und auf craft fairs seine Werke zum Verkauf anbietet.
Zurück nach Texas will Kirsten trotzdem vorerst nicht. Auf die Frage, ob sie zurzeit von Illustration leben kann, muss sie lachen: „Jetzt zurzeit? Nein. Aber es ist mein Ziel und ich möchte es erstmal versuchen, bevor ich sage „Nein das kann ich nicht.“ Bis es soweit ist, wirft Kirsten einfach alles an Jobs zusammen, was sie finden kann und hofft dann mit Gnaden der Ausländerbehörde ein Freelance Visum zu bekommen.
Wenn das nicht klappt, haben ihre Freund*innen auch schon einen Plan. Der running gag fürs Scheitern lautet: „Dein Vater ist Deutscher, hol dir deine Staatsbürgerschaft.“. Vielleicht reicht es schon, einfach im Amt auf den Namen zu verweisen und zu sagen, da sei was schief gelaufen.